Dokumentationspflicht

Dokumentation
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Die Dokumentationspflicht im medizinischen Kontext bezeichnet die rechtliche Verpflichtung von Ärzten, alle für die Behandlung relevanten medizinischen Maßnahmen vollständig, zeitnah sowie nachvollziehbar zu dokumentieren und sicher aufzubewahren.

Rechtliche Grundlagen

Die ärztliche Dokumentationspflicht ergibt sich aus dem Zivilrecht (§ 630f BGB), aus dem Vertragsarztrecht (§ 57 Abs. 1 BMV-Ä) sowie aus der Berufsordnung der jeweiligen Ärztekammer.

Zusätzlich gelten für bestimmte Fachbereiche und Tätigkeiten Sondervorschriften, bspw. § 28 Abs. 1 der Röntgenverordnung oder § 37 Abs. 3 des Jugendarbeitsschutzgesetzes.

Zudem müssen die datenschutzrechtlichen Vorgaben nach der EU-Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO) und dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) beachtet werden. Ärzte sind als Verantwortliche für die Datenverarbeitung verpflichtet, diese Vorgaben einzuhalten.

Zweck und Bedeutung der Dokumentationspflicht

Warum braucht man eine Dokumentationspflicht?

  • Sicherstellung der sachgerechten Behandlung und Weiterbehandlung von Patienten
  • Nachvollziehbarkeit des Behandlungsverlaufs und Vermeidung unnötiger Doppeluntersuchungen
  • Ermöglichung der Mit- und Weiterbehandlung durch andere Ärzte
  • Überprüfbarkeit durch Patienten
  • Beweisfunktion für Ärzte

Welche Rolle spielt die Dokumentation im Rahmen der Beweissicherung, falls es zu rechtlichen Streitigkeiten kommt?

Die Dokumentation ermöglicht die Nachvollziehbarkeit der Behandlung und ist für gerichtliche Gutachten entscheidend, da sie als Grundlage für die Beurteilung eines möglichen Behandlungsfehlers im Arzthaftungsprozess dient.

Umfang und Inhalt der medizinischen Dokumentation

Welche Informationen müssen in der Patientenakte dokumentiert werden?

Gegenstand der ärztlichen Dokumentation sind alle wesentlichen Informationen und Behandlungsergebnisse, die für die aktuellen und zukünftigen Behandlungen relevant sind. Dazu gehören nach § 630f Abs. 2 BGB:

  • Anamnese
  • Diagnosen
  • Untersuchungen mit Untersuchungsergebnissen
  • Befunde
  • Therapien bzw. Eingriffe und deren Wirkungen
  • Einwilligungen und Aufklärungen
  • Arztbriefe anderer behandelnder Ärzte

Welche Behandlungsinhalte als wesentlich gelten, hängt von medizinischen Gesichtspunkten und den Umständen des Einzelfalls ab.

Dokumentationspflicht Ärzte

Wann muss die Dokumentation erfolgen?

Die Dokumentation muss unmittelbar während oder direkt nach der Behandlung erfolgen (§ 630f Abs. 1 BGB). Kann dies aus besonderen Gründen nicht geschehen, ist sie zeitnah nachzuholen, sodass die Weiterbehandlung der Patientin oder des Patienten jederzeit gesichert ist (§ 7 Abs. 6 BO).

Wie detailliert muss die Patienteninformation in der Dokumentation sein?

Alle Informationen, die die Behandlung beeinflussen, müssen dokumentiert werden. Die Einträge müssen dabei für andere Ärzte verständlich, objektiv leserlich und fachlich nachvollziehbar sein. Auch stichwortartige Angaben und fachspezifische Abkürzungen sind zulässig. Selbstverständlichkeiten sind nicht zu dokumentieren.

Wichtig: Berichtigungen oder Änderungen der Dokumentation müssen stets nachvollziehbar sein, wobei der ursprüngliche Eintrag erhalten bleiben muss.

Form und Organisation der Dokumentation

Muss die Dokumentation in Papierform oder elektronisch erfolgen?

Die Dokumentation kann sowohl in Papierform als auch elektronisch geführt werden (§ 630f BGB). Wichtig in beiden Fällen ist, dass Änderungen und Berichtigungen so erfolgen, dass der ursprüngliche Inhalt und der Zeitpunkt der Änderung erkennbar bleiben. Bei der elektronischen Behandlungsdokumentation ist also eine Praxissoftware zu verwenden, die nachträgliche Berichtigungen und Änderungen automatisch erkennbar macht.

Bei der elektronischen Dokumentation sind besondere Sicherheits- und Schutzmaßnahmen (§ 10 Abs. 5 BO) erforderlich:

  • Passwortschutz
  • klare Urheberschaft
  • Protokollierung der Nutzung
  • tägliche Datensicherung und Erstellung von Sicherungskopien
  • Einhaltung datenschutzrechtlicher Vorgaben (DS-GVO, BDSG), auch bei externer Speicherung und EDV-Wartung.

Papierunterlagen, wie Arztbriefe, können eingescannt und elektronisch archiviert werden. Das elektronische Dokument hat jedoch nicht denselben Beweiswert wie das Original, sodass Ärzte im Einzelfall entscheiden müssen, ob das Papierdokument aufbewahrt oder vernichtet wird.

Wie lange müssen medizinische Dokumentationen aufbewahrt werden?

Die Patientenakte muss der behandelnde Arzt mindestens zehn Jahre nach Abschluss der Behandlung aufbewahren, sofern keine abweichenden gesetzlichen Aufbewahrungsfristen gelten.

Allerdings verjähren zivilrechtliche Haftungsansprüche des Patienten gegen seinen Arzt gemäß § 199 Abs. 2 BGB endgültig erst nach 30 Jahren. Daher wird empfohlen, die medizinischen Dokumentationsunterlagen ebenfalls für 30 Jahre aufzubewahren.

Datenschutz und Zugriffsrechte

Wer hat Zugriff auf die Patientendaten, und unter welchen Bedingungen dürfen diese weitergegeben werden?

  • Patienten: Haben ein umfassendes Recht auf Einsicht und Kopien der Akte (§ 630g BGB, Art. 15 DS-GVO), sofern keine erheblichen therapeutischen Gründe oder sonstige erhebliche Rechte Dritter entgegenstehen.
  • Angehörige: Nur mit Einwilligung zulässig; Ausnahme: Notvertretung für Ehegatten in bestimmten Fällen, z.B. bei Bewusstlosigkeit (§ 1358 BGB).
  • Eltern minderjähriger Patienten: Auskunftsrecht der Sorgeberechtigten; Ausnahme: Der einwilligungsfähige Minderjährige verlangt Vertraulichkeit.
  • Mitbehandelnde Ärzte und ambulante Pflegedienste: Die Weitergabe ist zulässig, soweit sie für die Mit- oder Weiterbehandlung erforderlich ist und im Rahmen dessen, was Patienten erkennbar erwarten.
  • Gesetzliche Kassen (GKV) & MDK:
    • GKV: Meldepflicht nur für gesetzlich definierte Daten für Abrechnung/Leistungszwecke (§ 294 SGB V ff.); darüber hinausgehende Daten erfordern eine Einwilligung.
    • Medizinischer Dienst (MD): Darf für Prüfzwecke (§ 276 SGB V) Unterlagen direkt bei der Krankenkasse anfordern.
  • Private Kassen (PKV): Es existiert keine gesetzliche Auskunftspflicht. Die Weitergabe ist nur mit ausdrücklicher Schweigepflichtentbindung für den konkreten Einzelfall erlaubt.
  • Polizei und Justiz: Ärzt:innen haben grundsätzlich ein Zeugnisverweigerungsrecht (§ 53 StPO). Unterlagen unterliegen zudem häufig einem Beschlagnahmeschutz (§ 97 StPO), der aber Ausnahmen kennt. Eine freiwillige Herausgabe von Patientendaten ist ohne Schweigepflichtentbindung in der Regel unzulässig; eine Offenbarung kommt nur ausnahmsweise in Betracht, z. B. bei rechtfertigendem Notstand nach § 34 StGB (konkrete, gegenwärtige und nicht anders abwendbare Gefahr, mit Abwägung).

Weitere Informationen finden Sie dazu unter: https://gesundheitsdatenschutz.org/download/Auskunftsersuchen.pdf

Wie können Ärzte sicherstellen, dass ihre Dokumentation den Datenschutzanforderungen entspricht?

Durch die Nutzung professioneller, revisionssicher Praxissoftwarelösungen mit klaren Zugriffs- und Berechtigungskonzepten können aktuelle Sicherheitsstandards sichergestellt werden.

Wichtig sind zudem regelmäßige Mitarbeiterschulungen, technische Schutzmaßnahmen wie Passwortschutz, Verschlüsselung, Protokollierung und regelmäßige Backups sowie eine transparente Information der Patienten über Datenverarbeitung und Einwilligungen.

Rechtliche Konsequenzen

Welche rechtlichen Konsequenzen drohen bei einer unzureichenden, fehlerhaften oder versäumten Dokumentation?

Wenn ein Arzt unzureichend, fehlerhaft oder verspätet dokumentiert, kann das rechtliche Folgen haben. Berufsrechtlich gilt das als Verstoß gegen die Dokumentationspflicht. Die Ärztekammer kann dann berufsrechtliche Maßnahmen ergreifen. In schweren Fällen sind auch vertragsarztrechtliche Konsequenzen möglich, bis hin zum Entzug der Zulassung. Bei sehr gravierendem Fehlverhalten kann zudem die Approbation betroffen sein.

Zivilrechtlich ist eine mangelhafte Dokumentation vor allem im Haftungsprozess problematisch. Sie schwächt die Beweislage der Behandelnden. Fehlende oder widersprüchliche Einträge wirken sich oft zulasten des Arztes aus. Nach § 630h Abs. 3 BGB wird bei fehlender Dokumentation einer dokumentationspflichtigen Maßnahme vermutet, dass diese Maßnahme nicht durchgeführt wurde.

Nachträgliche Ergänzungen sind nur unkritisch, wenn sie als Änderung erkennbar bleiben. Manipulierte oder bewusst falsche Einträge können strafrechtlich relevant sein. Das kann je nach Fall auch den Vorwurf der Urkundenfälschung begründen.